"Ohne Zweifel ein Modellvorhaben"
Interview mit Dr. Lothar Dittmer und Cornelia Schmidt-Hoffmann
Ein Treffpunkt für alle Generationen und Kulturen ist das KörberHaus in Hamburg, 2022 eröffnet. Es ist ein Kooperationsprojekt des Bezirksamtes Bergedorf und der Körber-Stiftung. Auf 6000 qm Fläche sind neun Organisationen aktiv, darunter Öffentliche Bücherhalle, Volkshochschule, AWO-Treff für Senioren, Freiwilligenagentur, Seniorenbeirat oder das ins Haus integrierte LichtwarkTheater. Die Leiterin des Bezirksamts Bergedorf, Cornelia Schmidt-Hoffmann und der Vorstandsvorsitzende der Körber-Stiftung, Dr. Lothar Dittmer, sind überzeugt: Kommunen brauchen offene Begegnungsorte und profitieren von Kooperationen.
Was ermöglicht die ungewöhnliche Zusammenarbeit zwischen einer öffentlichen Verwaltung und einer privaten Stiftung?
Dittmer: Als die Planung 2016 begann, hatten beide Partner einen konkreten Bedarf, von unserer Seite war es der Wunsch, alle unsere operativen Angebote zu Alter und Demografie an einem neuen attraktiven Ort zu bündeln. Die echte Bereitschaft zur Veränderung auf beiden Seiten war die Voraussetzung dafür, gemeinsam etwas Innovatives zu wagen.
Schmidt-Hoffmann: Für uns als öffentliche Hand ist das Neuland. Unsere bezirklichen Häuser stellen wir sonst einem Träger zur Verfügung, der dort seine Sozial- oder Kulturarbeit in eigener Regie betreibt oder wir betreiben sie ganz allein. Das KörberHaus betreiben wir mit der Stiftung zusammen selbst. Wir agieren als Institutionen zwar eigenständig, aber doch mit einem gemeinsamen Leitbild und einer gemeinsamen Haltung. Das erfordert funktionierende Abstimmungsprozesse.
Wie ist die Rollenteilung?
Dittmer: Es gibt zwei große gemeinsame Aufgaben, Organisation und Kommunikation. Das ist ein wenig wie ein „Innenministerium“ und ein „Außenministerium“. Das Bezirksamt hat die Kommunikation nach außen, für die Bürgerinnen und Bürger, übernommen. Und weil wir als Körber-Stiftung im Haus mit sehr viel mehr Personal beteiligt sind, sind Betrieb und Hausmanagement bei uns.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit im Alltag?
Schmidt-Hoffmann: In einer gemeinsamen Steuerungsrunde haben wir von Anfang an alle Bau- und Konzeptfragen abgestimmt. Heute gibt es eine doppelte Leitung durch uns und die Körber-Stiftung. Und mit der regelmäßigen Hausrunde haben wir ein zentrales Gremium für alle neun Partnerorganisationen. Dort informiert man sich und organisiert das Zusammenwirken aller im Haus.
Ausgehend vom KörberHaus – wie wichtig sind öffentliche Räume?
Schmidt-Hofmann: Sehr. Deshalb verstehen wir nicht nur das KörberHaus als Ganzes so, sondern vergeben als Bezirk im KörberHaus insgesamt fünf seiner Räume zu günstigen Konditionen an Bürger:innen oder Organisationen, die dort eigene Kultur- oder Bildungsangebote machen. Uns erreichen viele Raumanfragen aus der Zivilgesellschaft. Vereine brauchen Räume, wenn zum Beispiel Gaststätten mit Sälen schließen. Wir können aber nicht überall Bürgerhäuser errichten. Deshalb haben wir auch Raumbedarfe erhoben. Und festgestellt, dass es eigentlich genug Raum gibt. Man muss die Ressourcen in Vereinsheimen, Schulen, Kirchen einfach nur gut nutzen – und alle Partner miteinander vernetzen.
Dittmer: Auch wir stellen gemeinnützigen Organisationen im KörberHaus Räume zur Verfügung – eine Besonderheit ist der Theatersaal aber auch unser FreiRaum mit Büro- und Kreativausstattung, der Engagierten immer ohne Anmeldung offensteht. Hier wünschen wir uns, dass sich die Zivilgesellschaft selbst organisiert.
Was können andere vom KörberHaus lernen?
Dittmer: Es ist ohne Zweifel ein Modellvorhaben. Dass hier ein öffentlicher und ein privater Partner finanziell und infrastrukturell auf Augenhöhe miteinander kooperieren, das ist schon eine Besonderheit. Das lässt sich sicherlich nicht einfach auf andere Orte übertragen. Aber was nahezu überall geht: Dass Zivilgesellschaft und Verwaltung miteinander ins Gespräch kommen. Wo es diesen Dialog nicht gibt, können auch keine gemeinsamen Ideen entstehen. Und man muss an möglichst konkreten Vorhaben arbeiten, gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern.
Schmidt-Hoffmann: Ich glaube, wir brauchen überall soziale Orte. Viele sind zu Recht nur für spezifische Zielgruppen. Jede Kommune braucht aber auch dritte Orte. Bürgerhäuser, Stadtteil- oder Kulturzentren. Räume für verschiedene Altersgruppen und offen für kulturelle Unterschiede, auch Orte für ganz konkrete Lebenshilfe. Menschen brauchen Orte, an denen sie Teil eines sozialen Gefüges sind und sich auch ein Stück zu Hause fühlen.
Das Interview ist erschienen in der Publikation „Dritte Orte. Begegnungsräume in der altersfreundlichen Stadt. Hintergrund und gute Praxis“, erstellt von Körber-Stiftung und Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, November 2023